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Rubrik: Munitionsproduktion Translation: English French Spanish Italian Dutch Danish Polish Russian
Die Heeres-Munitionsanstalt Lehre
 Bis 1945: 
1934 begannen die Vorbereitungen zur Errichtung der Heeresmunitionsanstalt Lehre. Die Wehrmacht erwarb dafür vom Staat Braunschweig rund 160 ha Gelände im Forst Kampstüh. Bis zum Jahre 1936 konnte die Betriebsbereitschaft hergestellt werden. Für die Anstalt wurden über 100 Gebäude errichtet, aufgeteilt in die Bereiche Verwaltung und Bewirtschaftung, Fertigung sowie Lagerung. 1935 legte man ein Anschlußgleis vom Bahnhof Lehre zur Muna, damit war die Anbindung für An- und Abtransport von Baumaterial und Produkten sichergestellt. Die Wasserversorgung leistete ab 1940 ein eigenes Wasserwerk, Abwässer wurden in den Fluß Schunter abgeleitet. Nach einer Erweiterung im Jahre 1940 betrug die endgültige Ausdehnung der Anlage rund 225 ha. Zur Muna gehörte auch der ca. 3 ha umfassende Sprengplatz „Neue Wiese“ bzw. Beienrode.
Zur Produktpalette der Dienststelle gehörten Munition für Infanteriewaffen und Tellerminen, dazu Panzergranaten und Munition für Artillerie-Geschütze bis Kaliber 38 cm.
Ab Dezember 1944 lagerte die Wehrmacht in den Munitionsbunkern auch Lost- und Tabungranten ein. Diese stammten aus Kattowitz, Schlesien und mußten wegen des Vorrückens der Front Richtung Westen verlegt werden. Bis Februar 1945 trafen über 6.000 Tonnen Kampfstoffmunition in Lehre ein. Die Masse dieser Waffen blieb bis zum Kriegsende hier deponiert, lediglich geringe Teile sollen von der Wehrmacht noch evakuiert worden sein.
Es ist dokumentiert, daß eine Firma aus Braunschweig zum Kriegsende hin zumindest Teile ihrer Produktion in Gebäude der Munitionsanstalt ausgelagert hatte.
Während des II. Weltkrieges fanden keine Bombardierungen der Muna statt. Im laufenden Produktion gab es aber verschiedentlich Explosionsunglücke.
Im Februar 1937 ist in der Umgebung ein Reichsarbeitsdienst-Lager errichtet worden. Hier waren zunächst Arbeitskräfte für den Bau der Muna untergebracht, später war es Unterkunft eines Landesschützen-Bataillons, welches die Anstalt und Kriegsgefangene bewachte.
Unmittelbar am Westrand der Heeresmunitionsanstalt ist 1939 ein weiteres Lager eingerichtet worden. Hier sind arbeitsverpflichtete Frauen untergebracht gewesen. Angrenzend richtete ab Herbst 1941 das Stalag XI B, Fallingbostel ein Außenkommando mit 11 Baracken ein. Dort wurden sowjetische Kriegsgefangene eingewiesen. Bis kurz vor Kriegsende sind ständig durchschnittlich etwa 250 schlecht versorgte Soldaten der Roten Armee in der Muna eingesetzt gewesen.
Am 11. April 1945 wird der Raum Lehre durch Soldaten der 5. US-Panzerdivision befreit. Die Heeresmunitionsanstalt wird von den amerikanischen Truppen kampflos besetzt. Am gleichen Tag plünderten Einwohner aus der Umgebung die Anlage.

 Ab 1945: 
Die US-Truppen blieben nur kurze Zeit in Lehre, vertragsgemäß wurde das Gebiet im Sommer 1945 an die Britischen Streitkräfte übergeben. Bis 1947 ist weitere Kampfstoffmunition aus anderen Standorten in der Muna gesammelt worden. Die Giftgaswaffen der Wehrmacht haben die Briten bis Herbst 1949 wieder ausgelagert, die meiste Munition wurde dabei in der Nordsee versenkt. In dieser Zeit fanden auch Munitionsräumungen auf dem Gelände im Kampstüh statt. Dabei kam es am 9. Mai 1947 zum schwersten Unglück in der Anlage. 12 Menschen, darunter ein britischer Besatzungssoldat, starben an den Folgen einer Explosion bei der Räumung des Munitionsarbeitshauses Nr. 1.
Zunächst setzten die Alliierten die Muna Lehre auf die Liste der Anlagen, die vollständig zerstört werden sollten. Dazu kam es jedoch nicht. Lediglich die Geräte und das Material, welches zur Herstellung der Munition benutzt wurde, sind 1947 vernichtet worden.
Die British Army verließ schließlich im Jahre 1951 die Liegenschaft endgültig.

In der Nachkriegszeit betrieb die Volkswagen AG auf dem Gelände in vorhandenen Gebäuden ein Teilelager. Im Südwestbereich siedelten sich weitere gewerbliche Betriebe an. Die dort vorhandenen fünf Wohnhäuser der Muna wurden zu regulärem Wohnraum umgewidmet. Das östliche Gelände ist von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung mit einer Forschungseinrichtung belegt worden.
Nach Aufstellung der Bundeswehr nutzte diese die Bunker im Nordteil für die Munitionseinlagerung der Garnison Braunschweig. Später wurde im Nordostteil der ehemaligen Muna ein neues Munitionsdepot gebaut, das Ende der 1990er Jahre wieder aufgegeben wurde. Heute steht das Depot zur Veräußerung frei.
1980 sind zwei Schüler durch eine im Gelände ausgegrabene Lost-Granate schwer verletzt worden. Danach wurden durch den Niedersächsischen Kampfmittelbeseitigungsdienst (KBD) und weitere Auftragsfirmen Bodenuntersuchungen und Räumungen durchgeführt. Dabei konnten im Laufe der Jahre tausende Granaten aller Sorten geborgen werden. Weiterhin gilt das Gebiet als belastet.
Das gesamte Areal ist heute als „Naturwaldreservat Kampstüh“ von besonderer Bedeutung für den Naturschutz. Dazu wurden einige alte Bunker gezielt für den Fledermaus-Schutz auserwählt.
Das frühere Arbeitslager am Westrand der Muna ist unmittelbar nach dem Krieg zunächst als Unterkunft für Displaced Persons (DP-Camp) verwendet worden. 1946 hat man einige Baracken abgebaut. die verbliebenen Häuser sind bis 1960 als Altersheim verwendet worden. Später ging das Gelände in Privatbesitz über.

 Zustand: 
In der Heeresmunitionsanstalt Lehre sind heute noch viele erhaltene Bauwerke aus der Ursprungszeit zu finden. Die meisten haben die Jahre gut überdauert. In der Nachkriegszeit sind in einzelnen Bereichen von den jeweiligen Nutzern modernere Einrichtungen dazu gekommen.
Das Bundesvermögensamt hat inzwischen den Abriß der alten Munitionsbunker beantragt.

 Zugang: 
Inzwischen kann der größte Teil des Areals betreten werden.

 Hinweis: 
Dieses Buch schildert die Geschichte des Muna ausführlich:
Titel: „Volksgenossen die Fahnen raus!“
Autoren: Uwe Otte, Stefan Heinecke, Bettina Köchling
Blick aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Google Maps

Fotos:
Die Bilder wurden freundlicherweise von N. Giese zur Verfügung gestellt

Hauptzufahrt
Blick durch die Hauptzufahrt, rechts die Trafostation, im Hintergrund die Kommandantur.

Kommandantur
Das Gebäude der Kommandantur

Wohngebäude
Am Südwestrand liegen hinter dem Haupttor verschiedene Wohngebäude der Muna

Arbeitshaus
Arbeits- bzw. Lagerhaus

Barackenbauweise
Eingeschossige Barackenbauweise

Lagerhaus
Ein 2geschossiges Lagerhaus

Munitionsbunker
Tor eines alten Munitionsbunkers

Splitterschutzzelle
Auf dem Gelände befinden sich mehrere Einmann-Splitterschutzzellen

Standortmunitionsniederlage
Die moderneren Bunker der inzwischen aufgegebenen Standortmunitionsniederlage der Bundeswehr

Karte
Maßstab

Quellenangabe:
- Niedersächsisches Umweltministerium: Gefährdungsabschätzung von Rüstungsaltlasten in Niedersachsen
- Uwe Otte, Stefan Heinecke, Bettina Köchling: „Volksgenossen die Fahnen raus!“
- N. Giese
 
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