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Rubrik: Munitionsproduktion Translation: English French Spanish Italian Dutch Danish Polish Russian
Die Luftwaffen-Munitionsanstalt 6/VI (Bergwerk) Beendorf
 Bis 1945: 
Die auf dieser Seite vorgestellte Anlage liegt nur einige hundert Meter jenseits der Landesgrenze, in Sachsen-Anhalt. Da in Niedersachsen kein Objekt der gleichen Kategorie existiert, wird es in diese Website aufgenommen.

Die offizielle Bezeichnung der Dienststelle lautete Luftwaffen-Munitionsanstalt 6/VI Beendorf. Die römische Ziffer steht für das Luftgaukommando VI, welches im westfälischen Münster beheimatet war. Die Besonderheit der Muna Beendorf ist die Nutzung eines ehemaligen Bergwerkes.
Der Ort Beendorf liegt gut 5 km östlich von Helmstedt. Direkt am westlichen Rand des Dorfes verläuft die Grenze zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Diese stellte während des Kalten Krieges die innerdeutsche Grenze dar, und damit auch die Trennlinie der Militärblöcke NATO und Warschauer Pakt. Bei Beendorf konnte in der Zeit die Grenze nicht passiert werden.

Bereits ab dem 12. Mai 1897 ist am Südrand von Beendorf durch die „Gewerkschaft Burbach“ ein Bergwerk zum Abbau von Kalisalz eingerichtet worden. Hier entstand der Schacht „Marie“, der im Endstand bis in 520 m Tiefe reicht. Der Abbau startete am 31. August des Folgejahres. 1901 ergänzte man das oberirdische Schachtgelände um eine Chlorkalium-Fabrik, genannt Fabrik Burbach. Damit konnte die weitere Verarbeitung der Kalisalze zu Dünger unmittelbar vor Ort durchgeführt werden.
Im Jahre 1903 verfügte die preußische Regierung die sogenannte Zweischachtverordnung, zur Steigerung der Sicherheit des untertägigen Abbaues. Damit wurde verpflichtend, daß jedes Kalibergwerk mindestens zwei befahrbare Schächte zur Verbindung mit der Oberfläche besitzen mußte. Für die Erfüllung dieser Auflage ist ab dem Jahre 1910 am Rand von Morsleben, 1,6 km südlich gelegen, ein weiterer Schacht niedergebracht worden. Trotz seiner Lage erhielt er die Bezeichnung „Bartensleben“; das Dorf Groß Bartensleben liegt gut 2 km nordöstlich. Unterirdisch hat man „Marie“ und „Bartensleben“ miteinander verbunden. Die Förderung des Salzes erfolgte fortan zum Großteil aus „Bartensleben“. „Marie“ diente nun zur Belüftung, bergmännisch Bewetterung genannt, und als Notausstieg. Es war jetzt erforderlich, das abgebaute Kalisalz für die Verarbeitung zur Fabrik Burbach nach Beendorf zu transportieren. Dazu ist eine Material-Seilbahn über das freie Feld gebaut worden.
Nach Ende des I. Weltkrieges befand sich Deutschland in einer Wirtschaftskrise. Auf dem Kalimarkt bestanden Überkapazitäten. Als Folge entschloß sich der Burbach-Konzern zur Einstellung der Kali-Förderung in Beendorf. Am 1. November 1924 endete hier der Betrieb. Die angrenzende Fabrik Burbach konnte noch bis 1927 weiterarbeiten. Die Förderung über Schacht „Bartensleben“ lief bis 1931.

Anfang 1933 ergriffen die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland. Schon bald danach betrieben diese eine massive Aufrüstung. In dem Zusammenhang sollten zahlreiche Munitionsanstalten im gesamten damaligen Reichsgebiet eingerichtet werden. Für Heer, Luftwaffe und Marine waren jeweils eigene Dienststellen vorgesehen, die den Bedarf an Munition abdecken konnten.
Zunächst mußten geeignete Standorte gefunden werden. Dazu gerieten auch ungenutzte Bergwerke in den Blick der Planer. Diese boten brauchbare Möglichkeiten, Munition untertage einzulagern. Einerseits war dort die Gefährdung der Umgebung durch die explosiven Teile stark reduziert. Andererseits entzog man die Bestände so auch der Gefährdung durch feindliche Luftangriffe. Allerdings zeigte sich schon bald, daß die salzhaltige Luft in den Kali-Bergwerken zur Korrosion der Munition führte.
Während das Heer mehr als 20 dieser Objekte vorsah, blieb das bei der Luftwaffe die Ausnahme. Diese errichtete nur drei Luft-Munitionsanstalten in Bergwerken. Eine davon in Beendorf. Nur gut 10 km nordwestlich befand sich die Heeres-Munitionsanstalt (Bergwerk) Grasleben.

Der Burbach-Konzern verpachtete ab 21. April 1937 die komplette Schachtanlage „Marie“ mit der angrenzenden Fabrik Burbach an die Luftwaffe. Am 5. Juli begann hier die Einrichtung der Luftwaffen-Munitionsanstalt 6/VI.
Einige vorhandene oberirdische Bauten der Fabrik Burbach, sowie mehr als zehn neu errichtete, dienten als Lagerhäuser und Werkstätten. In ihnen konnten die benötigten Materialien deponiert werden. Südlich außerhalb des bisherigen Werksgeländes entstand das Fertigungsgebiet. Hier baute man zwei Munitionsarbeitshäuser, in welchen Granaten mit Zündern versehen, sowie Instandsetzungsarbeiten durchgeführt werden konnten.
Die Einlagerung der Munition erfolgte in 360 m Tiefe. Dort lag die Hauptfördersohle aus Zeiten des Bergwerks. Ausgehend von den vorhandenen Stollen schuf man 152 Kammern. Diese hatten eine Grundfläche von 18x22 m bei 2,5 m Höhe. Auf diesen 400 m² konnten jeweils 100 t explosive Materialien deponiert werden.

Hauptaufgabe der Muna Beendorf war die Bezünderung und Lagerung von Munition für den Bedarf der Luftwaffe. Verarbeitet wurden hier anscheinend hauptsächlich Granaten für Flugabwehrkanonen, und Munition für die Bordwaffen von Flugzeugen in unterschiedlichen Kalibern.
Granaten sind bereits mit Sprengstoff befüllt per Eisenbahn angeliefert worden. In den Arbeitshäusern versah man sie mit Zündern. Patronen kleinerer Kaliber mußten nicht weiter verarbeitet werden. Enthielten die Projektile keine explosive Ladung, gab es auch keinen Zünder.
Der untertägige Lagerbereich konnte einen umfangreichen Bestand aufnehmen. Nach Anforderungen durch die verwendende Truppe, hat man entsprechende Chargen zusammengestellt und für den Versand vorbereitet. Der Abtransport erfolgte wiederum per Eisenbahn zu den verbrauchenden Luftwaffenverbänden in Deutschland und den besetzten Ländern Europas.

Die Luftwaffen-Munitionsanstalt mußte im Sommer 1944 ihre Kampfmittel aus den Stollen auslagern. Über diesen Vorgang liegen keine näheren Angaben vor. Südlich des Arbeitsbereiches wurden sieben erdüberdeckte Lagerbunker errichtet. Diese sind standardisierte Bauten des Typs Munitionshaus (MH) 30 t. Sie verfügen über 250 m² Nutzfläche, und weisen zwei Eingänge auf. Somit stand über Tage, verglichen mit den Stollen, nur ein kleiner Bruchteil an geschützten Lagerkapazitäten für die Munition zur Verfügung. Wahrscheinlich fanden die Kampfmittel zum Großteil ihren Platz in provisorischen hölzernen Munitionsschuppen und Zelten, auf den umliegenden Flächen. Außerdem wird generell die Menge der Munition in Beendorf reduziert worden sein.

Aufgrund der sich ständig verschlechternden Lage, mit einer zunehmenden Gefahr für Industriewerke durch Bombardierungen, wurde die Verlagerung industrieller Fertigungen in Bergwerke begonnen. Dazu hatte man auch die Schachtanlagen in Beendorf und Morsleben ausgewählt. Wie bei allen ähnlichen Rüstungsprojekten üblich, sind für beide Objekte Decknamen festgelegt worden. Beendorf erhielt die Bezeichnung „Bulldogge“, Morsleben bekam „Iltis“.
Am 29. Dezember 1943 erfolgte eine Besichtigung des Schachtes „Bartensleben“ durch ein Kommando des „Sonderstabes Höhlen“. Dieses beschlagnahmte dabei die unterirdischen Räume für Fertigungszwecke der Industrie. Vorgesehen war die Unterbringung von Produktionsanlagen der Lutherwerke aus Braunschweig-Waggum, und der Askania-Werke aus Berlin. Die Federführung für das Vorhaben übernahm die SS, sie war für die Umsetzung verantwortlich. Das Projekt erhielt die Kennung A3. Die für die neue Nutzung erforderlichen Bauarbeiten führten zivile Firmen durch. Die SS hat diesen Firmen KZ-Häftlinge als Arbeitskräfte zugewiesen.
In „Bartensleben“ sollten dem Lutherwerk 30.000 m² und Askania 22.000 m² zur Verfügung gestellt werden. Allerdings ist im März 1944 beschlossen worden, daß nur die Askania-Werke hier Räume bekommt. Noch während die untertägigen Baumaßnahmen liefen, begann im Mai 1944 der Einzug des Werkes. Zuerst traf hier eine Tochterfirma der Askania ein, die bislang in Lodz ansässige Fluggerätewerk GmbH. Für deren Zivilarbeiter hat man mehrere Hallen in der Muna Beendorf zu Massenunterkünften umgebaut. Noch im Laufe des Mai startete die Produktion unter Tage. Der Ausbau in Bartensleben war im August abgeschlossen. Am 7. Dezember 1944 erging die Meldung, daß der Einzug in „Bartensleben“ nun weitgehend vollzogen ist.

Im Frühjahr 1944 schlug der Burbach-Konzern vor, auch den Schacht „Marie“ industriell zu verwenden. Im Mai besprach der „Jägerstab“ diese Möglichkeit. Die Muna Beendorf nutzte zu der Zeit nur rund 1/3 der verfügbaren Fläche. Schließlich gab am 25. Juli das Rüstungsamt die Belegung von Schacht „Marie“ mit Rüstungsindustrie bekannt. Das Luftfahrtgerätewerk Hakenfelde GmbH (LGW) sollte hier einziehen.
Die Mehrzahl der untertägigen Kammern wurde nun dem Jägerstab zugeschlagen. Die Muna blockierte aber weiterhin 60 Munitionskammern. Aus naheliegenden Gründen kam es für die Industrie nicht in Frage, im Umfeld der eingelagerten Munition zu arbeiten. Bei einem untertägigen Explosionsunglück wäre es sehr wahrscheinlich auch zur Zerstörung des Betriebes, und der Tötung seiner Mitarbeiter gekommen. Die Luftwaffe wollte aber auf die Munitionsanstalt nicht verzichten. Der Jägerstab setzte sich durch, im Juli wurde das Ende der Einlagerung von Kampfmitteln in den Stollen beschlossen. Nicht explosives Material konnte die Muna weiterhin untertage deponieren.
Die Baumaßnahmen im Schacht „Bartensleben“ waren im August 1944 abgeschlossen. Dort eingesetzte Kräfte begannen nun mit dem Umbau im Schacht „Marie“. Zur Steigerung der Leistungsfähigkeit ist dabei das Fördergerüst einschließlich Antrieb erneuert worden. Lief bislang die Förderung mit Dampfantrieb, kamen nun Elektromotoren zum Einsatz. An mehreren Stellen hat man zwei vorhandene Munitionskammern miteinander verbunden, um passende Grundflächen zu schaffen.
Ab Dezember 1944 zogen Belegschaft und Produktionsanlagen der Firma LGW von Berlin nach Beendorf um. Es wurden nun auch einige oberirdische Hallen der Fabrik Burbach belegt, zusammengefaßt 18.000 m². Ende Januar 1945 startete der Einzug in die untertägigen Räume. Zunächst nutzte man 34 vormalige Munitionskammern zu je 400 m². Bis zum Ende des Krieges waren 2/3 der Anlage fertiggestellt.

Die Askania in Morsleben fertigte als Zulieferer elektromechanische Teile für den Bedarf der Flugzeughersteller. Darunter waren Geräte für verschiedene Flugzeugtypen, die automatische Steuerung und der Fernkompaß für den Marschflugkörper V1, sowie hydraulische Servomotoren für die Rakete V2. Außerdem produzierte man für die Marine Sehrohre für U-Boote und Torpedosteuerungen.
In Beendorf stellte die zum Siemens-Konzern gehörige LGW, in Zusammenarbeit mit Askania, den zuvor genannten Fernkompaß für die V1 her. Dazu kamen Rudermaschinen, die in der in Entwicklung stehenden Flugabwehrrakete „Enzian“ eingesetzt werden sollten.
Wie schon früher von der Muna festgestellt, wirkte sich das untertage vorhandene Klima negativ auf die Produkte aus. Insbesondere die filigranen feinmechanischen Teile, und die benutzten Maschinen bekamen zum Teil Korrosionsschäden. Trotzdem lief der Betrieb bis zum Kriegsende. Allerdings bewirkten äußere Umstände deutliche Reduzierungen. Aufgrund der in den letzten Monaten des Krieges gravierenden Zerstörungen der Verkehrs-Infrastruktur, kam benötigtes Material nur noch eingeschränkt in Beendorf und Morsleben an. Ebenso konnten fertige Produkte nur noch teilweise ausgeliefert werden.

Über die in der Munitionsanstalt bei Aufbau und Betrieb beschäftigten Arbeitskräfte liegen nur wenige Daten vor. 1937 sollen 40 bis 50 Häftlinge aus dem KZ Buchenwald für Bauarbeiten hierher abgestellt worden sein. Sie waren in der Zuckerfabrik Alleringersleben untergebracht. Vor Beginn des II. Weltkrieges werden in der Muna Beendorf hauptsächlich Zivilbeschäftigte aus der Umgebung tätig gewesen sein.
Ab Kriegsbeginn veränderte sich die Situation. Zum einen mußten die Männer vermehrt in die Wehrmacht einrücken. Zum anderen stieg der Bedarf an Munition massiv an. 1940 trafen weitere Häftlinge ein, diesmal aus dem KZ Neuengamme. Nun wurde ein Arbeitslager beim Beendorfer Schacht eingerichtet. In dieser Zeit war der Einsatz von Fremd- und Zwangsarbeitern sowie Kriegsgefangenen in Munitionsanstalten üblich. Arbeitskräfte aus dem Ausland hatte man in den Muna-Hallen Nr. 1, 3, 10, 11 und 12 untergebracht. Deutsche Kräfte bekamen ihre Unterkunft in umliegenden Orten.

Mit dem Start des Umbaus der Stollen für die Rüstungsindustrie begann die schlimmste Zeit für die Arbeiter, mit schwersten Tätigkeiten bei gleichzeitig völlig unzureichender Versorgung. Im März 1944 ist in Beendorf ein erstes Außenlager des KZ Neuengamme eingerichtet worden. Es lief unter der Bezeichnung Helmstedt-Beendorf (Männer). Darin wies die SS rund 800 sogenannte Bauhäftlinge ein. Diese sollten den Umbau der Schachtanlage in Morsleben durchführen. Ihr Quartier war das Erdgeschoß der Muna-Halle Nr. 13.
Im November 1944 folgte als zweites das Lager Helmstedt-Beendorf (Frauen). Hier kamen rund 2.500 Frauen als sogenannte Fertigungshäftlinge unter. Sie mußten in der Rüstungsproduktion arbeiten. Zur Unterbringung von 1.200 Frauen diente die erste Etage in Halle 13. Jüdische Frauen waren separat in Halle Nr. 14 einquartiert.
In den letzten Monaten des Krieges hat die SS vermehrt KZ-Häftlinge nach Beendorf verlegt. Dies erfolgte als Reaktion auf den Vormarsch der Alliierten. Kurz vor deren Einmarsch transportierte man Häftlinge aus dortigen Lagern ab. Schließlich befanden sich etwa 4.500 Menschen in Beendorf. Die schon seit Beginn völlig ungenügenden Verhältnisse in den Lagern steigerten sich damit ins Extreme.
Kurz vor Eintreffen der Amerikaner sollten nun auch die Beendorfer Lager „evakuiert“ werden. Am 10. April 1945 sind über 4.000 KZ-Häftlinge mit Güterwaggons über einige Umwege zum KZ-Außenlager Wöbbelin in Mecklenburg-Vorpommern verbracht worden. Die Fahrt dauerte 6 Tage, in denen keine Versorgung stattfand. Die Männer blieben dort, für die Frauen ging der Transport noch weiter nach Hamburg, was wiederum 4 Tage dauerte. Die gesamte Odyssee verursachte weit mehr als 500 Todesopfer!

Am Ende war angedacht, die Stollenanlagen durch Sprengungen dem Zugriff durch die Alliierten zu entziehen. Dazu kam es jedoch nicht. Am 12. April 1945 erreichten Verbände der US Army den Raum Helmstedt, und beendeten den II. Weltkrieg für diese Region.

 Ab 1945: 
Die bereits im Vorjahr beschlossene Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen der Siegermächte sollte erst am 1. Juli 1945 vollzogen werden. Zuvor besichtigten Teams der US Army und der British Army Rüstungsobjekte in den bald zu räumenden Gebieten. In Beendorf und Morsleben fanden diese Inspektionen vom 14. bis 15. Mai und vom 27. bis 30. Mai statt. In der Folgezeit war es der Askania noch möglich, 250 ihrer Maschinen nach Helmstedt zu transportieren, um sie dem Zugriff durch die Sowjets zu entziehen.
Nach der Übernahme des Gebietes durch die Sowjetunion führten diese ihrerseits am 17. Juli und zwischen 2. und 6. August Inspektionen durch. Anschließend begann die Demontage aller vorhandenen Maschinen und Einrichtungen als Reparationsleistungen, mit anschließendem Abtransport Richtung UdSSR.
Die nun vorgesehene Sprengung von Bauten der Munitionsanstalt verzögerte sich bis zum Beginn der 1950er Jahre. Vermutlich hing das mit einer erneuten Förderung aus dem Bergwerk zusammen. Zwischen 1946 und 1951 ist im Schacht „Marie“ wieder Kalisalz gewonnen worden. Danach führte man Sprengungen von diversen Lagergebäuden durch. Nur die Bauten im unmittelbaren Umfeld des Schachtes blieben stehen, um diesen nicht zu gefährden. Im Bereich der obertägigen Munitionsbunker waren am Ende noch zwei Munitionshäuser intakt.

Eine skurril erscheinende Nutzung des Schachtes „Marie“ begann 1959. Es wurde in 360 m Tiefe eine Hähnchenmast eingerichtet. Den Planern erschien es günstig, daß in den Stollen über das ganze Jahr eine gleichbleibende Temperatur von 20° C herrschte. Außerdem fehlten andernorts geeignete Räumlichkeiten, und der Schacht „Marie“ mußte für die Bewetterung des Schachtes „Bartensleben“ ohnehin in Betrieb bleiben. Man nutzte 38 ehemalige Munitionskammern für die Mästung der Tiere. Anfang 1984 endete diese Phase, da sich der zusätzlich für den Einsatz unter Tage erforderliche Aufwand inzwischen nicht mehr rechnete.
In den oberirdischen Bauten richtete man ab 1965 einen Schlachthof für die Hähnchen ein. Dieser übernahm ab 1984 die Schlachtung von Tieren anderer Zulieferer, und konnte noch bis Ende 1990 weiter arbeiten.

Nach Auszug der Hähnchenmast stand in den Stollen die nächste Nutzung an. Anscheinend wurden bereits in den 1980er Jahren in den zwei erhaltenen Munitionsbunkern der früheren Muna Beendorf giftige Industrieabfälle deponiert. Ab 1987 begann in größerem Umfang die Einlagerung von cyanidhaltigen Härtereisalzen in den Stollen von Schacht „Marie“. Am Ende befanden sich hier 20.000 Fässer mit hochgiftigem Inhalt. Bis Dezember 1996 erfolgte deren Auslagerung.

Im Schacht „Bartensleben“ hat man nach dem Krieg wieder die Steinsalzförderung aufgenommen. Bis 1969 ist es als „Sonnensalz aus Bartensleben“ vertrieben worden. Im Jahre 1970 wählte die Regierung der DDR die Schachtanlage als zukünftiges Endlager für radioaktive Abfälle aus. Es sollten dort schwach- und mittelradioaktive Abfälle deponiert werden. In den 1970er Jahren erfolgte zunächst der Umbau der Anlagen für diesen Zweck, anschließend ein Probebetrieb. 1981 folgte die erste Betriebsgenehmigung. Und 1986 hat man die Genehmigung für einen Dauerbetrieb erteilt, zunächst bis zum Jahr 2000 gültig.
Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde das Bundesamt für Strahlenschutz für das Lager zuständig. Zwischen 1994 und 1998 erfolgten erneute Einlagerungen radioaktiver Abfälle. 2001 verzichtete das Amt unwiderruflich auf weitere Deponierungen. Seit 2003 geht es um die Stabilisierung der Stollen und um Konzepte, die untertägigen Anlagen mit dem dort verbleibenden Atommüll endgültig zu versiegeln.

Eine Teilfläche der früheren Muna in Beendorf fand ab 1961 eine neue militärische Verwendung. Ab Oktober des Jahres war eine Einheit der Grenztruppen der DDR hier stationiert. Zunächst handelte es sich um die 3. Grenzkompanie, ab 1971 die 13. Grenzkompanie. Von 1978 bis zum 31. Oktober 1981 diente die Liegenschaft nur noch als Reserveobjekt mit gelegentlicher Belegung.

Um an die in Beendorf während des II. Weltkrieges einquartierten KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter sowie Kriegsgefangenen und ihre Leiden zu erinnern, hatte der örtliche Schuldirektor 1971 in seiner Schule einen Ausstellungsraum eingerichtet. Da Beendorf in der Sperrzone der innerdeutschen Grenze lag, gab es von Seiten der DDR-Regierung kein Interesse, hier eine offizielle Gedenkstätte aufzubauen. 1958 wurde in der Ortsmitte ein Gedenkstein aufgestellt. Dieser trägt eine DDR-typische Inschrift, in der die Mehrzahl der Opfergruppen nicht berücksichtigt wird.

 Zustand: 
Am Schacht „Marie“ stehen noch mehrere historische Bauten. Auf dem angrenzenden Gelände der Fabrik Burbach sind nur noch zwei alte Hallen vorhanden. Im Fertigungsgebiet hat man die beiden Munitionsarbeitshäuser mit einem größeren Zwischenbau verbunden, der Komplex dient heute als Pflegeheim. Im Bereich der obertägigen Munitionsbunker blieben zwei Munitionshäuser erhalten, der Rest wurde gesprengt. Der Schacht „Bartensleben“ weist heute keine historischen Spuren auf.

 Zugang: 
Die Schächte „Marie“ und „Bartensleben“ sind als Bestandteile des Atommüll-Endlagers Morsleben weiterhin nicht zugänglich. Die übrigen Objekte können dagegen frei begangen werden, ausgenommen natürlich die Privatgrundstücke.

 Hinweis: 
Diese Seite informiert über die beiden Schächte und zeigt einige Fotos des Untertagebereichs:
https://www.lars-baumgarten.de/die-reviere-und-ihre-sch%C3%A4chte/6-nordharz/6-10-bartensleben-marie/
Weitere Bilder aus den Stollen auf den Seiten der Bundesgesellschaft für Endlagerung:
https://archiv.bge.de/archiv/www.endlager-morsleben.de/Morsleben/DE/mediathek/bildergalerie/geschichte/geschichte_node.html
Der örtliche Arbeitskreis KZ-Gedenkstätte Beendorf:
https://beendorf.com/ak-kz-gedenkstaette/

Blick aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Google Maps

Fotos:

Zufahrt
Die frühere Zufahrt zur Luftwaffen-Munitionsanstalt 6/VI Beendorf.

Wache
Links vom Tor das Wachgebäude.

Tor
Am Nordrand das ehemalige Tor vom Dorf zum Bergwerk.

Verwaltung
Das Verwaltungsgebäude der Gewerkschaft Burbach, von der Muna als Kommandantur genutzt.

Wirtschaftsgebäude
Daneben zwei Wirtschaftsgebäude.

Schacht
Schacht „Marie“, die Schachthalle ist von 1897 der Förderturm von 1944.

Maschinenhaus
Maschinenhaus, gebaut 1944.

Historische Bauten
Hinter dem Maschinenhaus weitere historische Bauten.

Werkstatt
Die alte Werkstatt.

Schacht
Blick auf den Schacht aus Richtung Süden.

Lagerhaus
Nur zwei historische Lagerhäuser stehen noch, hier Nr. 2.

Lagerhaus
Hier ist die zweigeschossige Bauweise erkennbar.

Lagerhaus
Das alte Lagerhaus Nr. 15.

Lagerhaus
Blick von der Seite.

Eisenbahntor
Am Südrand des Werksgeländes das ehemalige Eisenbahntor Richtung Fertigungsgebiet.

Eisenbahntor
Auf der anderen Straßenseite das Eisenbahntor des F-Gebietes.

Arbeitshaus
Die zwei historischen Arbeitshäuser blieben erhalten.

Arbeitshaus
Beide wurden später mit dem höheren Zwischenbau verbunden.

Arbeitshaus
Das zweite Arbeitshaus.

Schuppen
Daneben ein alter Schuppen.

Erdungsband
Ein langes Erdungsband auf der Freifläche könnte auf eine provisorische Lagerung hindeuten.

Munitionshaus
Das erste Munitionshaus 30 t, dieses ist intakt.

Stützmauer
Die Mauer neben dem MH stützt die Böschung.

Innen
Blick in das Innere.

Munitionshaus
Das zweite erhaltene MH 30 t.

Zugang
Der linke Zugang.

Zugang
Der rechte Zugang.

Innen
Die rund 250 m² messende Lagerfläche.

Belüftung
In der Ecke eine Öffnung für die Belüftung.

Belüftung
Außen der gemauerte Belüftungsschacht.

Munitionshaus
Das dritte MH 30 t ist gesprengt worden.

Zugang
Blick durch den früheren Zugang.

Munitionshaus
Das vierte MH, ebenfalls gesprengt.

Zugang
Nur über dem Eingang blieb ein Teil der Decke erhalten.

Munitionshaus
Fünftes Munitionshaus.

Zugang
Einer der zwei Zugänge aus der Nähe.

Munitionshaus
Das sechste Munitionshaus ist am weitgehendsten zerstört worden. Man findet nur Fragmente.

Munitionshaus
Das siebte MH 30 t.
Zugang
Wieder ein Blick auf einen der zwei Zugänge.
Deckenteile
Hier blieben größere Deckenteile nach der Sprengung liegen.
Morsleben
Schacht „Bartensleben“ in Morsleben.
Gedenkstein
Der DDR-typische Gedenkstein von 1958 in der Ortsmitte von Beendorf.

Violett: die heutige Landesgrenze Sachsen-Anhalt/Niedersachsen.
Karte
Maßstab

Quellenangabe:
- Björn Krooger: Rüstung unter Tage
- Dr. Lothar Reinbrecht: Der Schacht Marie - seine Nutzung zur Hähnchenmast
- BGE: Endlager Morsleben - Geschichte des Endlagers für radioaktive Abfälle Morsleben
- BGE: Endlager Morsleben: Hintergründe, Maßnahmen und Perspektiven der Stilllegung
- Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt: Erinnern! 2-2010
- Gedenkstätten-Rundbrief: Das KZ-Außenlager Beendorf
- Zusammenfassung der Historie des SS-Arbeitslagers A3 Beendorf als Außenlager des KZ Neuengamme
- KZ-Gedenkstätte Neuengamme: Helmstedt-Beendorf (Männer)
- KZ-Gedenkstätte Neuengamme: Helmstedt-Beendorf (Frauen)
- kz-beendorf.hebfree.org: La mine Marie
- Grundschule Bernhard Becker Beendorf: http://www.ok.shuttle.de/ok/stein-gym/kz-beend.htm
- https://ddr-grenztruppen.de/easylink/index.php?item/732-grenzkompanie-beendorf/
 

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