Bis
1945:
Die offizielle Bezeichnung der hier vorgestellten Anlage lautete Heeres-Nebenmunitionsanstalt
Hannover. Die Liegenschaft befindet sich im heutigen Stadtteil Misburg-Nord.
Zu Zeiten der Einrichtung des Depots lag Misburg außerhalb der Stadtgrenze
von Hannover. Erst 1974 erfolgte die Eingemeindung.
Gebräuchlich waren die Kurzbezeichnungen Muna Hannover und Muna Misburg.
Über
Nebenmunitionsanstalten liegen nur wenige Angaben vor. Oftmals ist vor
Ort nicht bekannt, daß dortige Munitionsdepots in diese Kategorie fallen.
Heeres-Nebenmunitionsanstalten sind Dienststellen der Feldzeugtruppe
des Heeres der Wehrmacht gewesen. Aufgabe der Feldzeugtruppe war die
Bereitstellung von Nachschub für die zugeordneten Verbände und Einheiten.
Jedem Wehrkreiskommando unterstand ein Feldzeugkommando. Diesem nachgeordnet
gab es ein Heeres-Zeugamt, in einigen Fällen auch derer zwei. Auf der
nächsten Hierarchiestufe standen mehrere Heeres-Nebenzeugämter. An fast
jedem dieser Nebenzeugämter hing eine Heeres-Nebenmunitionsanstalt (HNMa).
Aufgabe der Nebenmuna war die Lagerung von Munition für den Bedarf des
Nebenzeugamtes. Eine Herstellung oder Befüllung von Kampfmitteln wurde
dort nicht durchgeführt. Die Objekte verfügten meist über recht wenige
Lagerbauten auf unter 10 ha Grundfläche.
Es gab aber auch eigenständige größere HNMa, die direkt den Feldzeugkommandos
unterstanden.
Die Bauarten der Munitionshäuser variieren. Munitionsbunker sind weniger
aufzufinden, verbreitet waren gemauerte Lagerhäuser. Auch die Deponierung
in einfachen Holzschuppen ist gängig gewesen.
Auffällig ist die in fast allen Fällen fehlende Anbindung an die Eisenbahn.
Zur damaligen Zeit fand der größte Teil aller Transporte auf der Schiene
statt. Reguläre Munitionsanstalten hatten daher immer einen Gleisanschluß
bis in die Liegenschaft. Bei den Nebenmunitionsanstalten gab es das kaum.
Für den Umschlag von Munition in größerer Stückzahl war das sicherlich
ein einschränkender Faktor.
Nachdem die Nationalsozialisten 1933 die Macht in Deutschland
ergriffen hatten, begannen sie umgehend mit der massiven militärischen
Aufrüstung des Landes. Hannover war stets eine wichtige Garnison, nun
folgte ein weiterer bedeutender Aufwuchs. In der Stadt ist das Generalkommando
XI aufgestellt worden, mit Sitz in der heutigen Kurt-Schumacher-Kaserne.
Ihm unterstand für logistische Aufgaben das Feldzeugkommando Hannover,
das ein Gebäude in der Hohenzollernstraße bezog. Diesem nachgeordnet
richtete man in den Kasernen am Waterlooplatz das Heeres-Zeugamt Hannover
ein.
Aufgabe des Zeugamtes war die Bereitstellung von Ausstattung und Nachschub
für die Heerestruppen im Wehrkreis XI. Dazu mußten diverse Lager betrieben
werden. Eine Komponente stellte die Bevorratung von Munition dar. Für
diesen Zweck sind Heeres-Nebenmunitionsanstalten aufgebaut worden. In
den meisten Fällen führten Nebenzeugämter diese Nebenmunas. In der Stadt
Hannover fehlt die Zwischeninstanz. Das Zeugamt ließ eine HNMa aufbauen,
die ihm unmittelbar unterstellt war.
Über den Standort der Nebenmuna Hannover gab es Verwirrungen.
Sie wurde fälschlich teilweise einer früheren militärischen Liegenschaft
am Ostrand des Waldes Seelhorst zugeordnet. Dort gab es tatsächlich ab
1868 ein Pulverlager, schon im Folgejahr begann der Ausbau zu einer Munitionsanstalt.
Nach dem I. Weltkrieg ergab sich aber eine deutliche Reduzierung der
Aktivitäten, bis 1930 hat man einige Bauwerke wieder abgerissen.
Das Objekt konnte ab 1937 vom Heeres-Zeugamt Hannover genutzt werden.
Ergänzend zu den vorhandenen, sind diverse weitere Lagerhäuser errichtet
worden. Für die Einrichtung eines Munitionslagers war die Liegenschaft
nicht geeignet, aufgrund der Gefährdung des Umfeldes durch die brisante
Einlagerung. Man wählte dafür eine abgeschiedene Lage im großen Misburger
Wald, vom Zentrum Hannovers 8 km in nordöstlicher Richtung entfernt.
Das Gelände der HNMa Hannover hatte bereits ab 1900 eine gewisse
militärische Vornutzung. Im Stadtteil Vahrenwald befand sich zwischen
Husarenstraße und Dragonerstraße das Militärreitinstitut Hannover. Dieses
richtete an der Position im Misburger Wald ein Gehege für Wildschweine
ein, um im Rahmen der Reiterausbildung Jagden durchzuführen. Die Wege
durch die Nebenmuna tragen heute den Namen „Am Alten Saupark“.
Etwa 1936 begann der Aufbau der Heeres-Nebenmunitionsanstalt Hannover.
Das Objekt dehnte sich über rund 12 ha Grundfläche
aus. Im Süden siedelte man die Haupteinfahrt mit Wache und Funktionsgebäuden
an. Anschließend folgte am Südwestrand ein großes Lagerhaus mit 500 m²
Nutzfläche. Es diente hauptsächlich zur Aufbewahrung von Verpackungen
für Munition, daher auch Packmittelschuppen genannt. Weiter Richtung
Nordwesten durchziehen drei Wege das Areal, an denen die etwa 10 Munitionshäuser
(MH) errichtet wurden. Soweit durch Luftbilder aus verschiedenen Epochen
erkennbar, sieht man 6 MH 200 m² und 4-5 MH 50 m².
Wie oben schon erwähnt, fehlte in den meisten HNMa ein Gleisanschluß,
so auch hier. Die vorgegebene Frachtstation war der Güterbahnhof Misburg.
Dorthin mußten knapp 5 km Straßenfahrt zurückgelegt werden.
Im Depot wurde ab 1938 Munition eingelagert. Nach Kriegsbeginn sollen
zwei zusätzliche Holzschuppen für Munition der Luftwaffe aufgestellt
worden sein.
Über den Betrieb der Nebenmuna in den Kriegsjahren liegen
keine weiteren Angaben vor. Es bestand für das Objekt aber fortwährend
eine größere Gefahr durch Bombenangriffe auf Hannover. Insbesondere die
nur 2 km südlich nebeneinander liegenden bedeutenden Raffinerien Deurag
und Nerag sind öfter das Ziel von Bombardierungen gewesen. Es gab aber
keine direkten Treffer auf die HNMa.
Am 10. April erreichten Truppen der 84th Infantry Division der US Army
Hannover und besetzten die Stadt. Damit endete auch für Misburg der Krieg.
Ab 1945:
Da die Gegend in der britischen Besatzungszone lag, übernahm kurz nach
Kriegsende die British Army vereinbarungsgemäß die Verwaltung. In der
Nebenmuna Hannover mußten zunächst die militärischen Einlagerungen,
insbesondere vorhandene Munitionsbestände, abtransportiert werden.
Viele Hannoveraner hatten als Folge der Bombenangriffe ihr
Obdach verloren. Außerdem erfolgte in der ersten Nachkriegszeit ein starker
Zustrom von Heimatvertriebenen aus den ehemals deutschen Ostgebieten
nach Westdeutschland. Das führte hier zu einem gravierenden Mangel an
Wohnraum. Man zog nun alle verfügbaren Bauten für die Unterbringung von
Flüchtlingen heran. Dabei wurden schon bald auch die Gebäude im hiesigen
Munitionsdepot entsprechend belegt. Die Innenräume der Munitionshäuser
trennte man mit Zwischenwänden auf mehrere Wohnungen auf, um in beengten
Verhältnissen Familien provisorisch einquartieren zu können. Die frühere
Nebenmuna ist zu der Zeit als Flüchtlingslager Misburg bezeichnet worden.
Bei den Bombardierungen kam es in Misburg zur Zerstörung der zwei Volksschulen.
1945 und 1946 konnten als Ersatz provisorische Möglichkeiten im örtlichen
Jugendheim, und in einer umgesetzten Holzbaracke des früheren KZ-Außenlagers
Misburg herangezogen werden. 1948 entstand auch in der Nebenmuna eine
Schule. Das größere massiv gebaute Lagerhaus mit 500 m² beherbergte fortan
die sogenannte Waldschule. Immerhin 550 Schüler bekamen hier Unterricht.
Im Laufe der Jahrzehnte reduzierte sich die Anzahl der genutzten
Bauten in der Liegenschaft. 1952 konnte im Ort Misburg die erste neu
aufgebaute Volksschule eröffnen, 1955 folgte die zweite. Damit entfiel
der Bedarf für das Provisorium der Waldschule. Bis 1958 konnte die meisten
Bewohner aus den Provisorien in neuen Wohnraum innerhalb von Misburg
umgesiedelt werden. Später folgte der Abriß einzelner Baracken. Aber
noch heute finden frühere Munitionshäuser Verwendung als Wohnraum. Im
Jahr 2023 fand eine größere Abrißaktion statt, bei der auch die Bauten
an der Haupteinfahrt geschleift worden sind. Gegenwärtig stehen von der
ehemaligen Heeres-Nebenmunitionsanstalt noch drei Lagerhäuser und dahinter
je ein länglicher Schuppen.
Zustand:
Das Gelände der Nebenmuna im Misburger Wald zeigt heute nur noch wenige
historische Spuren, die aber sehenswert sind. Da andernorts Objekte
der Kategorie Heeres-Nebenmunitionsanstalt überwiegend restlos beseitigt
wurden, lohnt sich ein Blick auf die Bauten in Hannover.
Zugang:
Das Gelände ist als Naherholungsgebiet frei begehbar, natürlich ausgenommen
die Privatgrundstücke. |
Blick
aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Fotos:
Hier befand sich die Haupteinfahrt zur HNMa Hannover.
Rechts vom Tor standen Wache und Betriebsgebäude, sie sind 2023 abgerissen
worden.
Nahe der Haupteinfahrt liegt diese Splitterschutzzelle.
Das Wegenetz durch die HNMa ist zum Teil befestigt.
Eines von drei noch erhaltenen historischen Munitionshäusern.
Ein weiteres MH mit 200 m² Nutzfläche.
Dahinter ein Schuppen.
Von den abgerissenen Munitionshäusern blieben Freiflächen im Wald.
Links des Weges stand hier ein Lagerhaus mit 500 m² Nutzfläche. Nach
dem Krieg für einige Jahre Heimat der Waldschule.
Abgeräumte Fläche am Nordrand.
Der Art nach könnte dies eine Zisterne gewesen sein, es sind allerdings
keine Anschlüsse erkennbar.
|