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Rubrik: Fabrikationsanlagen Translation: English French Spanish Italian Dutch Danish Polish Russian
Kriegsmarine - Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven
 Bis 1945: 
Die auf dieser Seite vorgestellte Anlage kann als das Herzstück der Marine in Wilhelmshaven bezeichnet werden; hier begann auch die Geschichte der noch recht jungen Stadt. Das Areal hat im Laufe des Bestehens verschiedene Funktionen und Bezeichnungen erlebt.
Am 23. November 1854 übernahm das Königreich Preußen das Gebiet an der Jademündung vom Königreich Oldenburg, um hier das „Marine-Etablissement an der Jade“ einzurichten. Zunächst war nur eine Funktion als Arsenal geplant. Für die Errichtung der Anlagen mußten 1.500.000 m³ Schlick ausgehoben werden, in der damaligen Zeit noch ohne Maschinen. Die Stadt erhielt damals den noch heute geläufigen Beinamen „Schlicktau“ oder auch „Schlicktown“. Die Hafenanlagen waren über Schleusen von den Gezeiten abgetrennt, zunächst entstand die I. Einfahrt.
Die deutsche Flotte bestand zu diesem Zeitpunkt aus im Ausland eingekauften Kriegsschiffen, eigene Werften existierten noch nicht. Wenige Jahre später fiel der Beschluß, den in Bau befindlichen Hafen am Jadebusen als Werftstandort für eine eigene Produktion auszuweiten. Am 17. Juni 1869 wurde der Hafen mit den Docks I-III vom preußischen König Wilhelm I. eingeweiht, die im Umfeld entstehende Stadt erhielt den Namen Wilhelmshaven. Der Militärdoktrin der damaligen Zeit entsprechend, wurde zur Sicherung rund um die Stadt ein Gürtel mit Forts aufgebaut.
Ab dem Jahre 1870 begann der Werkstättenbau auf dem Werftgelände, 1871 folgten Erweiterungen von Hafen und Werft für die allmählich wachsende Flotte. 1886 ist eine neue I. Einfahrt errichtet worden, die bisherige I. erhielt die Bezeichnung II. Einfahrt. Es setzte ein immer umfangreicheres Neubauprogramm der Kriegsmarine ein, die Werft wurde ständig bedeutender. Zwischen 1900 und 1909 folgte zwangsläufig eine große Erweiterung der Hafenanlagen von Wilhelmshaven. Hierbei dehnten sich die Anlagen am Südstrand der Stadt nach Westen aus, Großer Hafen, Zwischenhafen und Westhafen wurden gebaut. Im Bauhafen hat man an der Nordkaje die Docks IV-VI eingerichtet, auch die III. Einfahrt entstand in diesem Zeitraum.
Die Revolution von 1918 nahm von Wilhelmshaven aus ihren Anfang, hier meuterten am 19. Oktober Matrosen der kaiserlichen Flotte gegen das Auslaufen zu einer letzten sinnlosen Entscheidungsschlacht gegen die Alliierten. Weitere Marinegarnisonen schlossen sich an, die Revolte weitete sich schnell über das ganze Land aus, bis schließlich am 9. November Kaiser Wilhelm II. abdanken mußte und die Republik ausgerufen wurde.
Mit dem Ende des I. Weltkrieges folgte auch für die Marinewerft eine starke Einschränkung ihrer Tätigkeit. Da der größte Teil der Flotte an die Alliierten ausgeliefert werden mußte und militärische Neubauten nicht anstanden, wurden Notprogramme durchgeführt, um das Fachpersonal zu halten. Es sind Lokomotiven gebaut und repariert worden, elektrische Haushaltsgeräte hat man hier hergestellt. In geringem Umfang konnten aber auch Schiffe gebaut werden, meist Fischdampfer, Fracht- und Passagierschiffe. Zwischen 1919 und 1923 sind auch zahlreiche in- und ausländische Schiffe auf der Werft abgewrackt worden.

Ein Neubeginn nach dem Krieg war der Stapellauf des Leichten Kreuzers Emden am 7. Januar 1925, hiernach folgten weitere Kriegsschiffe. Wie nicht anders zu erwarten, bedeutete die Machtübernahme der Nationalsozialisten mit der folgenden immensen Aufrüstung eine enorme Auslastung der Marinewerft in Wilhelmshaven. Das III. Reich wollte auch zur See durch riesige und kampfstarke Schlachtschiffe beeindrucken, der sogenannte „Z-Plan“ wies den Ausbau der Flotte aus. Dabei war beabsichtigt, bis zum Jahr 1948 unter anderem 4 Flugzeugträger, 10 Schlachtschiffe und 15 Panzerschiffe in Dienst zu stellen. Auf der hiesigen Marinewerft sind unter anderem die Panzerschiffe „Admiral Scheer“ und „Admiral Graf Spee“ sowie die Schlachtschiffe „Scharnhorst“ und „Tirpitz“ gebaut worden. Die „Tirpitz“ war mit 42.900 ts Wasserverdrängung das größte deutsche Kriegsschiff. Als weiteres Großprojekt wurde noch der Bauauftrag für das 56.000 ts-Schlachtschiff „L“ erteil, nach Beginn des II. Weltkrieges ist das Projekt, wie auch weitere Planungen für Großkampfschiffe, annulliert worden. Die Kriegsmarine schwenkte um auf kleine Kriegsfahrzeuge wie Zerstörer, Torpedoboote, Schnellboote und Unterseeboote.
Ganz im Stil des damaligen Gigantismus wurde auch für die Werft eine riesige Erweiterung begonnen, das Projekt „Nordwerft“. Hierbei hätte sich die Fläche vermehrfacht, die Karte zeigt die geplanten Dimensionen. Bei diesen Baumaßnahmen entstanden der Nordhafen, die IV. Einfahrt und davor der neue Vorhafen. Am Westpier des Nordhafens sind drei riesige Docks geplant gewesen, zwei davon sind bis zum Kriegsende recht weit vorangebracht worden.
Bei den umfangreichen Bauarbeiten und auch im Schiffbau selbst wurden viele Fremd- und Zwangsarbeiter eingesetzt. Dazu kamen später auch Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Im Stadtgebiet existierten diverse Arbeitslager, am Alten Banter Weg richtete man im September 1944 ein Außenlager des KZ Neuengamme ein.
Wegen der großen strategischen Bedeutung der Werft- und Hafenanlagen von Wilhelmshaven war die Stadt natürlich für die Alliierten ein vorrangiges Ziel für Bomberangriffe. Im Umfeld richtete man diverse Flakstellungen ein, zahlreiche Luftschutzbunker entstanden im Stadtgebiet. Bei über 100 Luftangriffen sind 2/3 der Bausubstanz der Stadt zerstört worden.
1940 gab es Planungen, eines der Docks der Marinewerft zu einem U-Boot-Bunker mit 18 Liegeplätzen umzubauen, da jedoch nach der Besetzung Frankreichs an der Atlantikküste Stützpunkte zur Verfügung standen, stoppte man das Vorhaben. Nach der Zunahme der Zerstörungen der Werftanlagen durch die Bombardierungen wurde erneut ein Bunker geplant, diesmal sollte der U-Boot-Fabrikbunker „Wespe“ einen geschützten Sektionsbau ermöglichen. Das Projekt war im damaligen Scheer-Hafen gedacht, ist aber in nur in geringem Maße umgesetzt worden.
Bei einem Bombenangriff am Kriegsende sank auch der an der Ostpier des Bauhafens liegende Leichte Kreuzer „Köln“. Die Geschütztürme befanden sich über der Wasserlinie, so daß die 15 cm-Geschütze noch gegen die Alliierten eingesetzt wurden, sie feuerten auf Truppenansammlungen im Raum Varel.
Mit der Einrücken kanadischer und polnischer Verbände endete am 6. Mai 1945 der II. Weltkrieg für Wilhelmshaven.

 Ab 1945: 
Mit dem Kriegende endete der Werftbetrieb zunächst noch nicht. In den Monaten nach der Kapitulation liefen nach und nach die meisten noch fahrbereiten deutschen Kriegsschiffe Wilhelmshaven an. Hier wurden sie hergerichtet um an die Siegermächte ausgehändigt zu werden. Die Alliierten verlosten untereinander diese Kriegsbeute, im März 1946 verließ das letzte Schiff den Hafen.
Danach begann der Abbau aller Werfteinrichtungen, die gesamte Ausstattung ist der Sowjetunion als Reparation zugesprochen worden. Mit insgesamt 38 Frachtschiffsladungen transportierten die Russen bis 1949 sämtliche Gegenstände ab, nur die Ruinen der Gebäude blieben stehen. Ursprünglich hatten die Alliierten geplant, Wilhelmshaven durch Abriß der Deiche in den Fluten versinken zu lassen, um den Kriegshafen für alle Zeiten unbrauchbar zu machen. Dazu kam es jedoch wegen des sich ankündigenden Kalten Krieges nicht. Bis 1949 wurden jedoch alle Gebäude der Werft gesprengt, einschließlich der Docks und Kaianlagen, das Werftgelände glich einer Mondlandschaft. Auch die weiteren Hafeneinrichtungen von Wilhelmshaven sind zerstört worden. Die II. Einfahrt hat man zugeschüttet, auch wurden die III. und am 11. Mai 1950 schließlich die IV. Einfahrt gesprengt.
Ab 15. November 1955 war Wilhelmshaven wieder Garnisonsstadt der Bundesmarine. Auf der ehemaligen Werft ist ab 17.02.1956 das Werfttor I von der Freiwilligen-Annahmestelle der Marine verwendet worden, das Lehrlingshochhaus beherbergte zunächst noch eine zivile Kammgarnspinnerei, auch die verbliebene Schiffbauhalle wurde zivil genutzt.
Im Jahre 1957 begannen die Planungen für die Einrichtung eines Arsenalbetriebes auf dem Werftgelände. Eine eigene Werft hat die Bundeswehr nicht erwogen, der Schiffbau sollte in den zivilen Werften stattfinden. Da auf dem Arsenalgelände nahezu sämtliche Gebäude eingeebnet waren, bestand hier die Chance, die neuen Bauten nach modernsten Gesichtspunkten zu errichten. Innerhalb von 15 Jahren sind auf dem Areal neun große Werkstatt- und Lagerhallen sowie diverse weitere Betriebs- und Verwaltungsgebäude entstanden. Die Kaianlagen mußten komplett neu aufgebaut werden, 1961-62 errichtete man als Kernstück des Arsenals die Südpier. Anstelle der Docks I-III entstand ein großer Parkplatz, der Auslauf der Helling I ist als Liegeplatz noch erhalten. Auf dem Grund des Docks IV wurde ein Liegebecken für Schwimmdocks eingerichtet.
Für den Zugang zu den Hafenbecken konnte zunächst nur die I. Einfahrt genutzt werden, erst am 1. März 1965 ging die neu aufgebaute IV. Einfahrt in Betrieb und die I. Einfahrt konnte ihre Tätigkeit einstellen. Neben der IV. Einfahrt begannen 1964 die Bauarbeiten für den großen Marinestützpunkt Heppenser Groden, mit seiner Fertigstellung wurde Wilhelmshaven größter Marinestandort der Bundeswehr.
Der Rest des Nordhafens wird heute zivil genutzt, aus dem nicht vollendeten riesigen Dock VIII wurde ein Hafenbecken.

 Zustand: 
Durch die weitgehende Zerstörung der Werft nach dem II. Weltkrieg sind natürlich nur noch wenige historische Spuren zu finden. Auf dem Werksgelände haben die Sprengungen nur das Werfttor I, das Lehrlingshochhaus, eine Schiffbauhalle und ein paar kleinere Gebäude überstanden. Von den Docks V und VI zeugen heute noch diverse Trümmer.
Hinter dem Werfttor I hat man 1970 ein aus dem Westhafen geborgenes Kleinst-U-Boot vom Typ „Seehund“ aufgestellt.

 Zugang: 
Das Marinearsenal ist als Militärischer Sicherheitsbereich nicht zugänglich, die Außenbereiche sind jedoch einsehbar.

 Hinweis: 
Dieses Buch beschreibt mit vielen Abbildungen die Geschichte der Anlage:
Titel: Von der Kaiserlichen Werft zum Marinearsenal
Autoren: G. Koop, K. Galle, F. Klein
Verlag: Bernard & Graefe
ISBN: 3-7637-5252-8
Blick aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Google Maps

Fotos:
Historisches:

Werfttor I
Das Wahrzeichen der Werft ist das 1876 fertiggestellte Werfttor I, es hat sich seitdem äußerlich kaum verändert.

Postkasten
Im linken Torbogen vom Werfttor I befindet sich der historische Postkasten „Kaiserliche Werft“.

Kellergeschoß
An der Südwestecke des Geländes war bis vor einigen Jahren das Kellergeschoß eines Werksgebäudes erhalten

Feuerwache
Die Feuerwache ist in ihrem weitgehend ursprünglichen Zustand erhalten geblieben

Lehrlingshochhaus
Auch das Lehrlingshochhaus hat die Abrißaktionen überstanden

Docks
Trümmer der Docks V und VI am Nordrand des Bauhafens

Seehund
Hinter dem Haupttor wurde dieses Kleinst-U-Boot vom Typ „Seehund“ aufgestellt. Es wurde 1945 im Westhafen von seiner Besatzung versenkt und 1969 vom MArs geborgen.

Hinten
Blick von hinten

Modernes:

Südpier
An der Südpier sind ausgedehnte Arbeitsbereiche eingerichtet

Südpier
Ebenfalls an der Südpier

Schwimmdocks
Liegeplatz der großen modernen Schwimmdocks

Bauhafen
Blick über den Bauhafen

Hallen
Hallen im Südbereich

Rommel
An der Ostpier werden ausgemusterte Schiffe bis zur Veräußerung festgemacht. Hier der ausgemusterte Zerstörer „Rommel“.

U-Boote
Außerdienst gestellte U-Boote

Die (moderne) IV. Einfahrt als Teil der geplanten Nordwerft:

Bremen
Fregatte „Bremen“ in der Westkammer der IV. Einfahrt

Andere Seite
Blick von der anderen Seite

Dunkelblau: die Grenze des Marinearsenals heute, violett: die geplanten Ausmaße der Nordwerft
Karte
Maßstab

Quellenangabe:
- G. Koop, K. Galle, F. Klein: Von der Kaiserlichen Werft zum Marinearsenal
 
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