Relikte.com
Zur StartseiteInfo über diese WebsiteÜbersicht der LiegenschaftenRelikte durchsuchenLiteratur-DatenbankHyperlink-DatenbankKontakt zum Webmaster
Rubrik: Tanklager Translation: English French Spanish Italian Dutch Danish Polish Russian
Das Wifo-Tanklager „Wasserberg“, Bremen-Farge
 Bis 1945: 
Am 24. August 1934 wurde auf Veranlassung des Reichswirtschaftsministeriums die Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft mbH (Wifo) gegründet. Hauptzweck dieser Firma war Bau und Betrieb von Groß- und Zwischentanklagern für die Wehrmacht, aber auch für die Industrie. Die Tätigkeiten umfaßten den Umschlag und die Einlagerung von Mineralölprodukten, sowie die Mischung von Treibstoffsorten.
Hauptauftraggeber war die Luftwaffe, für sie deckte die Wifo 90 % des Kraftstoffbedarfs. Beim Heer waren es lediglich 10 %. Die Wifo unterhielt eigene Transportkapazitäten mit Eisenbahn-Kesselwagen und Tankschiffen. Dieser Bestand umfaßte 1944 rund 38.000 Waggons und 35 Flußschiffe.

Der Standort Farge, vor dem 1. November 1939 noch kein Stadtteil Bremens, fiel auf der Suche nach geeigneten Flächen für neue Tanklager in das Blickfeld der Wifo. Das Gelände bestand aus Heidefläche und Wald, dieser bot mit seinem Baumbestand eine wirksame Tarnung. Die Nähe zur Weser und die vorhandene Eisenbahnstrecke von Vegesack nach Farge boten die nötigen Kapazitäten für den Transport von Produkten. Die weiteren in Niedersachsen errichteten Großtanklager der Wifo waren Hitzacker, Tarnname „Hellberg“ und Nienburg-Schäferhof, Tarnname „Kuhberg“.
Im Jahre 1935 erfolgte der Baubeginn der Anlage Farge mit dem Tarnnamen „Wasserberg“. Es wurde zunächst eine Fläche von rund 600 ha vorgesehen, darin war ein große Reserve für spätere Erweiterungen enthalten. Zur Einlagerung der Treibstoffe sind 15 Behälterblocks errichtet worden. Diese bestehen aus jeweils fünf liegenden 50 m langen Stahlzylindern mit 10 m Durchmesser und 4.000 m³ Fassungsvermögen. Umschlossen werden diese Tanks durch massiven Beton, welcher zusätzlich mit Erde überdeckt ist. Zusammengerechnet ergab sich für Farge eine Lagerkapazität von rund 300.000 m³ Innerhalb des Depots sind weitere Einrichtungen gebaut worden, wie zwei Verladebahnhöfe für Eisenbahnkesselwagen und ein umfassendes Rohrleitungsnetz mit den entsprechenden Pumpstationen. Dazu kamen Verwaltungs-, Betriebs- und Sozialgebäude, Stromversorgung und Feuerlöschanlagen.
Auch eine Mischanlage für die Herstellung von Kraftstoff aus synthetischen Vorprodukten wurde errichtet. Zu ihr gehörte eine weitere Behältergruppe mit 20.000 m³ Fassungsvermögen. In deren fünf Tanks wurden die einzelnen Mischvorgänge durchgeführt. Die mögliche Produktionsleistung der Anlage betrug 2.250 t Fertigware pro Tag.
Außerhalb des Kerngeländes wurden verschiedene weitere Einrichtungen gebaut. Direkt an der Weser entstanden zwei Verladebrücken für Tankschiffe, welche über Pipelines mit dem Tanklager verbunden sind. Parallel zur Strecke der Farge-Vegesacker Eisenbahn kam ein eigenes Gleis hinzu, welches vom westlichen Verladebahnhof zum Bahnhof Bremen-Rönnebeck reicht. Dort und in Farge-Ost entstanden Abstellbahnhöfe für die Kesselwaggons. Selbst im Bahnhof Bremen-Vegesack sind umfangreiche Erweiterungen durchgeführt worden, die ebenfalls von der Wifo mitfinanziert wurden. Dort war es wegen des Kopfbahnhofes nötig, die Fahrtrichtung der Züge zu wechseln. Dementsprechend mußten genug Rangiergleise zur Verfügung stehen. Für die Beschäftigten der Wifo wurde in Bremen-Blumenthal eine eigene Wohnsiedlung hochgezogen, diese ist noch heute im Volksmund als Wifo-Siedlung bekannt.
Während die Arbeiten in Bremen-Farge liefen, begann Anfang 1939 in direkter Nachbarschaft der Bau des Kriegsmarinetanklagers Farge, welches trotz seines Namens vollständig auf Gebiet der Gemeinde Schwanewede lag.
Die Bauausführung am Wifo-Tanklager ist der Firma Gottlieb Tesch aus Berlin übertragen worden. Für die Unterbringung der Arbeitskräfte wurde vermutlich Ende 1936 am Westrand des Depots das „Lager Tesch“ eingerichtet. Ab 1938 kamen in den Baracken auch tschechische Fremdarbeiter unter. 1941 trafen zahlreiche Kriegsgefangene der Roten Armee in diesem Lager ein. 1942 folgte schließlich eine größere Gruppe polnischer Zwangsarbeiter. Die Bewachung der Anlage und der Arbeiter führte die SS durch. Für sie wurde am Südostrand ein eigenes Wohnlager gebaut. Über die weiteren Arbeitslager in der Umgebung berichtete eine separate Seite.
Das Wifo-Tanklager wurde ab 1941 schrittweise in Betrieb genommen. Die Bauarbeiten fanden Ende des Jahres 1943 vorerst ihren Abschluß. Ab diesem Jahr verlagerte sich der Hauptteil aller Aktivitäten im Großraum Farge auf den Bau der U-Boot-Bunkerwerft „Valentin“.
Den Alliierten waren der Bau und die Funktion des Treibstoffdepots natürlich nicht verborgen geblieben. Das Gelände ist mehrmals bombardiert worden. Lediglich zwei Tanks der Mischanlage und einige Betriebsanlagen wurden dabei beschädigt. Der Betrieb wurde bis zum Ende des Krieges unverändert fortgeführt. Am 11. Mai 1945 besetzen britische Truppen die Umgebung.

 Ab 1945: 
Von den Briten wurde das Unterwesergebiet vereinbarungsgemäß als Enklave an die US Army übergeben. Diese führte das vormalige Wifo-Tanklager sogleich als „Farge Sub Depot“ der „Petroleum and Fuel Division“ weiter. Während der Blockade Berlins durch die Sowjetunion 1948/49 ist über dieses Treibstofflager ein wesentlicher Teil des Kraftstoffbedarfs der Großstadt gedeckt worden. In der Zeit waren rund 2.000 Personen im Depot damit beschäftigt, Treibstoffe in Kanister und Fässer umzufüllen. Diese wurden dann von den Flughäfen Bremen und Hannover nach Berlin geflogen.
Die ursprüngliche Ausdehnung des Tanklagers ist in den 1950er Jahren im nördlichen Bereich erheblich zurückgenommen worden, danach umfaßte das Areal knapp 320 ha. Im Nordostteil des freigegebenen Gebietes wurde ab 1956 die Lützow-Kaserne der Bundeswehr errichtet. Das restliche Gelände verwendete die Truppe fortan als Standortübungsplatz der Garnison. Auf dem Gelände der früheren SS-Unterkunft im Süden ist in den 1970er Jahren das Schulzentrum „In den Sandwehen“ errichtet worden.
Zwar ist bereits 1951 die Liquidation der Wifo eingetragen worden, vollstreckt wurde sie jedoch erst am 15. Mai 1970. Bis 1957 befand sich das Depot noch immer im Besitz der dieser Gesellschaft. In diesem Jahr ging die Anlage in den Besitz des Bundesministeriums für Verteidigung über. Die Vereinigte Tanklager und Transportmittel GmbH (VTG) übernahm nun die Betriebsführung. Schließlich kam es zur offiziellen Übergabe des Treibstofflagers von der US Army an die VTG. Diese zog sich wegen der umfangreichen Grundstücksfragen von 1961 bis 1963 hin. Da die VTG am 3. Juli 1961 an die Preussag verkauft wurde, ging zeitgleich die Bewirtschaftung in Farge an die Industrieverwaltungsgesellschaft (IVG). Die IVG war am 12. September 1951 aus der Montan entstanden. 1993 erfolgte die vollständige Privatisierung der Gesellschaft, sie blieb aber als Pächter in Farge aktiv.
Im IVG-Tanklager Farge werden bis heute Treibstoffe für das Militär bevorratet. Mitte der 1960er Jahre bekam das Treibstoffdepot mit einer Fernleitung Richtung Westen zum FBG-Tanklager Oldenburg Anschluß an die NATO-Pipeline. 1971 kam als weitere Aufgabe die Einlagerung eines Teils der nationalen Heizölreserve dazu. Nach Ende des Kalten Krieges hat sich die militärische Bedeutung der Anlage reduziert, sie blieb aber in Betrieb. Von der Kapazität her gilt Bremen-Farge als das größte künstlich angelegte unterirdische Tanklager der Welt.

 Zustand: 
Im ehemaligen Wifo-Tanklager sind für die anhaltende intensive Nutzung ständig Modernisierungen der Anlagenteile vorgenommen worden. Die gesamte Technik befindet sich heute auf dem modernsten Stand. Dazwischen sind aber noch diverse historische Bauten zu finden. Alle 16 Behälterblocks sind nach wie vor in Betrieb.

 Zugang: 
Das IVG-Tanklager darf nicht betreten werden!
Blick aus der Vogelperspektive mit Google Maps:
Google Maps
Fotos:

Haupttor
Das Haupttor des IVG-Tanklagers

Kesselwagenbahnhof II
Die Einfahrt zum Kesselwagenbahnhof II

Werkstor
Ehemaliges Werkstor der früher weitläufigeren Grenze

Faßkeller
Ein Faßkeller im Tanklager

Schutzbunker
In einem nach dem Krieg freigezogenen Geländeteil steht dieser kleine Schutzbunker


Außenanlagen:

Ölpier
Der Ölpier an der Weser

Pumpstation
Lüftungsschacht einer stillgelegte Pumpstation an der Farger Straße

Rönnebeck
Der große Abstellbahnhof Bremen-Rönnebeck steht heute leer

Wifo-Siedlung
Ein Blick in die Wifo-Siedlung in Bremen-Blumenthal


Folgendes Bild wurde freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom Bayerischen Eisenbahnmuseum:

Wifo-Lok
Diese Wifo-Lok Nr. 33 stand ab Juni 1942 im Tanklager Farge im Einsatz, sie ist heute noch betriebsbereit.

Rot markiert: der heutige Zaunverlauf des IVG-Tanklagers, dunkelblau: der äußere Zaun des Wifo-Tanklagers im II. Weltkrieg, violett: die Grenze des Kriegsmarinetanklagers.
Die Nummerierungen sind auf der Seite über die Arbeitslager erklärt.

Karte
Maßstab

Quellenangabe:
- Niedersächsisches Umweltministerium: Gefährdungsabschätzung von Rüstungsaltlasten in Niedersachsen
- Barbara Hopmann: Von der MONTAN zur Industrieverwaltungsgesellschaft (IVG) 1916-1951
- Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945 - Band 6: Bremen
- Rainer Christochowitz: Die U-Boot-Bunkerwerft „Valentin“
- Stader Jahrbuch 2001/2002 - Heiko Kania: Neue Erkenntnisse über Opferzahlen und Zwangsarbeiterlager während des Baus des U-Boot-Werftbunkers „Valentin“ in Bremen-Farge
- Farge-Vegesacker Eisenbahn: 100 Jahre 1888 - 1988
- Rainer Hager: Wasserberg ?
- Stefan Lauscher: Die Diesellokomotiven der Wehrmacht
- Archiv R. Hager
- Archiv Verein „Dokumentations- und Gedenkstätte Geschichtslehrpfad Lagerstraße/U-Boot-Bunker Valentin e.V.“
- Bayerisches Eisenbahnmuseum
 
Copyright: © by „Relikte in Niedersachsen und Bremen“.
Impressum & Datenschutz
Seitenanfang